Uni Hohenheim startet Forschungsprojekt mit zehn Meter hoher Agri-Photovoltaik-Anlage
Die Universität Hohenheim hat eine bis zu zehn Meter hohe Agri-Photovoltaik-Anlage mit 218 Kilowatt Leistung eingeweiht. Ziel ist es, ökologische und ökonomische Effekte der parallelen Energie- und Nahrungsmittelproduktion zu erforschen.
Energieexpertin mit Fokus auf erneuerbare Energien und Speichertechnologien.

Uni Hohenheim startet Forschungsprojekt mit zehn Meter hoher Agri-Photovoltaik-Anlage
Mit der Einweihung einer neuen Forschungsanlage am Ihinger Hof in Renningen (Baden-Württemberg) betritt die Universität Hohenheim Neuland in der angewandten Agrar- und Energieforschung. Die innovative Agri-Photovoltaik-Anlage (Agri-PV) vereint Landwirtschaft und Solarenergie auf derselben Fläche und zeigt, wie beides effizient miteinander kombiniert werden kann. Die Besonderheit: Die Solarmodule sind bis zu zehn Meter hoch aufgeständert und ermöglichen so eine landwirtschaftliche Nutzung direkt darunter.
Forschung mit Praxisbezug: 218 Kilowatt Leistung über 3600 Quadratmetern
Die neue Anlage umfasst eine Fläche von rund 3600 Quadratmetern und eine installierte Leistung von 218 Kilowatt (kW). Erwartet wird ein jährlicher Stromertrag von etwa 200.000 Kilowattstunden (kWh) – genug, um rund 60 Haushalte zu versorgen. Gleichzeitig bleibt die Fläche vollständig landwirtschaftlich nutzbar.
Das Projekt wird durch das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) gefördert und ist Teil der Modellregion „Agri-PV Baden-Württemberg“. Ziel ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewinnen, die eine praxisgerechte Umsetzung von Agri-Photovoltaik in der Breite ermöglichen.
„Wir wollen verstehen, wie sich Photovoltaik und Landwirtschaft nicht gegenseitig behindern, sondern ergänzen können“, erklärt Andreas Schweiger, Leiter des Fachgebiets Pflanzenökologie an der Universität Hohenheim. „Dabei geht es nicht nur um Stromerträge, sondern auch um Pflanzenwachstum, Mikroklima und Biodiversität.“
Nachhaltiger Bau ohne Bodenschäden
Bereits beim Bau der Anlage legte das Projektteam großen Wert auf Bodenschonung. Statt schwerer Baumaschinen kamen Baukräne, mobile Kräne und Hebebühnen mit bodenschonender Bereifung zum Einsatz. Die Stahlkonstruktion trägt die Solarmodule in einer Höhe von bis zu zehn Metern, sodass Traktoren und landwirtschaftliche Geräte problemlos unter den Modulen hindurchfahren können.
„Unser Ziel war es, die Bodenqualität durch die Bauarbeiten nicht zu beeinträchtigen“, so Schweiger weiter. „Ein lockerer, unverdichteter Boden ist essenziell, damit Wasser, Sauerstoff und Nährstoffe aufgenommen werden können. Jede Verdichtung hat negative Folgen für Bodenlebewesen und Ackerpflanzen. Das wollten wir unbedingt vermeiden.“
Forschungsziel: Wechselwirkungen zwischen Licht, Klima und Pflanzen
In der Anlage werden künftig auf 13 mal 14 Meter großen Parzellen verschiedene Kulturen parallel angebaut – darunter klassische Feldfrüchte wie Weizen, Gerste und Raps, aber auch innovative Pflanzenarten. Untersucht wird, wie sich unterschiedliche Beschattungsgrade und Lichtverhältnisse auf Wachstum, Ertrag und Qualität der Pflanzen auswirken.
Die bifazialen Glas-Glas-Module, die auf beiden Seiten Strom erzeugen, beschatten etwa 30 Prozent der Fläche. Der Beschattungsgrad variiert je nach Sonnenstand und Modulposition, wodurch sich gezielt unterschiedliche Lichtbedingungen simulieren lassen. Dadurch kann untersucht werden, wie sich eine teilverschattete Umgebung auf die Photosyntheseleistung und das Mikroklima auswirkt.
„Wir messen hochauflösend Parameter wie Bodenfeuchtigkeit, Lufttemperatur, Einstrahlung und Blatttemperatur“, erklärt Schweiger. „Damit wollen wir verstehen, welche Pflanzen besonders gut auf die Bedingungen unter der PV-Anlage reagieren.“
Synergieeffekte zwischen Energie und Landwirtschaft
Agri-Photovoltaik gilt als eine der vielversprechendsten Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien. Durch die Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen für Stromerzeugung und Pflanzenanbau wird Flächennutzungskonkurrenz vermieden. Erste Ergebnisse aus Vorprojekten zeigen, dass der Ertragsverlust durch Beschattung gering ist, während die Schutzwirkung der Module gegen Hitze, Austrocknung oder Hagel zu stabileren Erträgen führt.
Gerade in Zeiten zunehmender Extremwetterereignisse kann Agri-PV somit einen Beitrag zur klimawandelresilienten Landwirtschaft leisten. Der Schatten unter den Modulen reduziert Verdunstung, schützt empfindliche Pflanzen und schafft kühlere Mikroklimata, die für viele Kulturpflanzen von Vorteil sind.
Ökonomische Potenziale im Fokus
Neben den ökologischen Vorteilen untersucht das Hohenheimer Projekt auch die wirtschaftliche Rentabilität solcher Anlagen. Faktoren wie Investitionskosten, Wartungsaufwand und Stromvermarktung werden ebenso betrachtet wie mögliche Einnahmen aus Einspeisung oder Eigenverbrauch.
Durch die zunehmende Standardisierung von Komponenten und die Integration in bestehende Betriebsstrukturen sehen die Forschenden großes Potenzial: Landwirte könnten künftig zusätzliche Einnahmequellen erschließen, ohne Flächenkonflikte zu verursachen.
„Wir wollen praxisnahe Empfehlungen geben, wie Agri-Photovoltaik in verschiedenen Kulturen und Regionen wirtschaftlich sinnvoll umgesetzt werden kann“, erklärt Projektleiterin Dr. Katharina Bäuerle vom Institut für Agrartechnik. „Die Kombination von Stromerzeugung und Landwirtschaft kann ein Schlüssel zur nachhaltigen Energiezukunft sein.“
Technologische Besonderheiten der Anlage
Die Anlage nutzt modernste bifaziale Glas-Glas-Solarmodule, die sowohl die direkte Sonneneinstrahlung als auch reflektiertes Licht vom Boden verwerten. Durch die Aufständerung auf bis zu zehn Meter hohen Stahlstützen ist die Fläche darunter vollständig befahrbar. Die erzeugte elektrische Energie wird in das Netz eingespeist, perspektivisch ist jedoch auch ein lokaler Eigenverbrauch mit Speichersystemen geplant.
Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Integration von Sensorik, Datenmanagement und künstlicher Intelligenz (KI). Die kontinuierlich erfassten Daten sollen künftig helfen, Erträge zu prognostizieren und Bewässerung oder Düngung automatisiert zu steuern – ein wichtiger Schritt in Richtung Smart Farming.
Ausblick: Skalierbare Lösungen für die Landwirtschaft
Mit dem Projekt am Ihinger Hof etabliert sich die Universität Hohenheim als Vorreiterin in der interdisziplinären Forschung zu Agri-PV-Systemen. Ziel ist es, konkrete Handlungsempfehlungen für Politik, Industrie und Landwirtschaft zu entwickeln. Die Erkenntnisse könnten maßgeblich dazu beitragen, die Agri-Photovoltaik als flächendeckende Technologie in Deutschland zu etablieren.
„Wir wollen zeigen, dass Agri-PV kein Zukunftskonzept, sondern eine realistische Lösung für die Energie- und Agrarwende ist“, betont Schweiger. „Die Verbindung von Pflanzenbau und Energieproduktion ist ein entscheidender Schritt zu einer nachhaltigen, klimaresilienten Landwirtschaft.“