Forschungsprojekt DynaNet entwickelt KI-basierte Netzentgelte zur Entlastung lokaler Stromnetze
Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt „DynaNet“ erforscht KI-gestützte, dynamische Netzentgelte. Ziel ist es, Verbraucher zu netzdienlichem Verhalten zu motivieren und die Integration erneuerbarer Energien zu fördern.
Spezialistin für Photovoltaik und Solartechnik.

Forschungsprojekt DynaNet entwickelt KI-basierte Netzentgelte zur Entlastung lokaler Stromnetze
Wie lassen sich Stromnetze effizienter nutzen, ohne sie zu überlasten – und gleichzeitig Verbraucher motivieren, ihren Energieverbrauch flexibel zu gestalten? Mit dieser Frage beschäftigt sich das neue Forschungsprojekt „DynaNet“, das im August 2025 gestartet ist. Das Konsortium, zu dem unter anderem das August-Wilhelm Scheer Institut, das Fraunhofer IESE und die Stadtwerke Saarlouis gehören, entwickelt ein KI-basiertes System für dynamische Netzentgelte. Ziel ist es, die Verteilnetze zu entlasten und die Integration erneuerbarer Energien voranzutreiben.
Dynamische Netzentgelte: Ein neues Konzept für die Energiewende
Das Projekt DynaNet verfolgt das Ziel, Verbraucher durch variable, KI-gestützte Preissignale zu einem netzdienlichen Energieverbrauch zu motivieren. Statt statischer Netzentgelte sollen künftig dynamische Tarife gelten, die sich flexibel an die tatsächliche Auslastung des Netzes anpassen. Wenn also in einem Stadtviertel besonders viel Strom aus Photovoltaik eingespeist oder gleichzeitig stark verbraucht wird, reagiert das Tarifsystem in Echtzeit – mit Preissignalen, die Anreize für eine zeitliche Verschiebung des Verbrauchs schaffen.
„Wir wollen die Energiewende auch auf Verteilnetzebene voranbringen“, erklärt Kim Jost, Projektleiterin am August-Wilhelm Scheer Institut für digitale Produkte und Prozesse. „Unser Ziel ist ein System, das für Endkunden alltagstauglich bleibt, aber für das Gesamtsystem einen großen Beitrag leistet.“
Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Das Vorhaben wird im Rahmen des 8. Energieforschungsprogramms des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWK) gefördert. Die Projektlaufzeit beträgt drei Jahre, von August 2025 bis Juli 2028. Neben dem August-Wilhelm Scheer Institut und dem Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering (IESE) sind auch die Hochschule Weserbergland sowie mehrere Praxispartner aus der Energiewirtschaft beteiligt. Die Hochschule bringt insbesondere ihre juristische Expertise zu regulatorischen Fragen der Stromtarifierung ein.
Technische Basis: KI, Middleware und Echtzeitdaten
Kern der DynaNet-Forschung ist eine Middleware, also eine Softwareebene zwischen Betriebssystem und Anwendungen. Sie soll als zentrale Datendrehscheibe fungieren und Netzzustand, Tarifgestaltung und intelligente Messsysteme (Smart Meter) miteinander verknüpfen. Über offene Schnittstellen können Energieversorger, Stadtwerke und Drittanbieter diese Plattform nutzen, um dynamische Netzentgelte zu berechnen und an Kunden weiterzugeben.
Ein neu entwickelter Algorithmus namens „FlexPreis“ kombiniert dazu drei Variablen:
- Börsenstrompreis – spiegelt das aktuelle Marktgeschehen wider
- Netzauslastung – zeigt, wie stark das Verteilnetz lokal belastet ist
- Netzentgelte – dynamisch berechnete Gebühren, die sich an der Netzsituation orientieren
Auf Basis dieser Daten werden Prognosen und Steuerungsbefehle generiert, die in Echtzeit an Smart Meter, Wärmepumpen, Batteriespeicher oder Wallboxen übermittelt werden können.
„Die Middleware bildet die technische Brücke zwischen der Netzführung und dem Endverbraucher“, erklärt Dr. Felix Koch, Wissenschaftler am Fraunhofer IESE. „Damit schaffen wir die Voraussetzung, dass Preis- und Steuerungsinformationen sicher, transparent und automatisiert fließen können.“
Feldversuch in Saarlouis: Forschung trifft Praxis
Ein wesentlicher Bestandteil von DynaNet ist ein Feldtest mit den Stadtwerken Saarlouis. In einem ausgewählten Versorgungsgebiet werden dort reale Haushalte und Betriebe mit der KI-Plattform verbunden. Über intelligente Messsysteme und smarte Steuergeräte werden Verbrauchsdaten in Echtzeit erfasst und analysiert.
Die Forscher wollen herausfinden, wie Verbraucher auf dynamische Preissignale reagieren, welche Einsparpotenziale entstehen und wie groß die Akzeptanz solcher Systeme ist. Dabei wird nicht nur die technische Machbarkeit, sondern auch die wirtschaftliche Skalierbarkeit geprüft.
„Die Integration dynamischer Netzentgelte kann helfen, Netzausbaukosten zu reduzieren und die Nutzung vorhandener Infrastruktur zu optimieren“, so ein Sprecher der Stadtwerke Saarlouis. „Für Stadtwerke bedeutet das mehr Effizienz und für Verbraucher potenziell niedrigere Stromkosten.“
Beitrag zur Netzstabilität und Integration erneuerbarer Energien
Eines der Hauptziele von DynaNet ist es, lokale Netzengpässe zu vermeiden, ohne teuren Netzausbau betreiben zu müssen. Durch die gezielte Steuerung von Lasten – etwa das Verschieben des Ladevorgangs eines Elektroautos in Zeiten hoher PV-Einspeisung – können Energieflüsse harmonisiert werden.
So soll das Projekt auch die Integration fluktuierender erneuerbarer Energien erleichtern. Wenn mehr Solar- oder Windstrom zur Verfügung steht, können Verbraucher durch niedrige Preissignale dazu angeregt werden, Strom zu nutzen – beispielsweise für Wärmepumpen, Speicherladung oder E-Auto-Laden.
Auf diese Weise trägt DynaNet nicht nur zur Netzstabilität, sondern auch zur Dekarbonisierung der Energieversorgung bei.
Chancen und Herausforderungen
Während die Vorteile dynamischer Netzentgelte auf der Hand liegen, sind auch Herausforderungen zu meistern. Dazu gehören Datenschutz, Transparenz und Nutzerfreundlichkeit. Die Forscher wollen sicherstellen, dass das System trotz komplexer Technologie einfach bedienbar bleibt und keine zusätzlichen Risiken für Verbraucher schafft.
Die Hochschule Weserbergland analysiert hierzu die rechtlichen Rahmenbedingungen und entwickelt Leitlinien für eine rechtskonforme Umsetzung in Deutschland und der EU. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Einbindung von Smart Metern, die als zentrale Schnittstelle zwischen Verbraucher und Versorger dienen.
Perspektive: Ein Schritt zur intelligenten Energiezukunft
Mit DynaNet entsteht ein zukunftsweisendes Modellprojekt, das das Zusammenspiel von Technologie, Markt und Regulierung neu denkt. Die Ergebnisse könnten langfristig dazu beitragen, dynamische Netzentgelte bundesweit einzuführen.
Das Vorhaben steht stellvertretend für den Trend zu einer digitalisierten, flexiblen Energiewirtschaft, in der KI-basierte Systeme die Grundlage für Stabilität und Nachhaltigkeit bilden.
„Wenn wir es schaffen, Netze, Verbraucher und Preissignale intelligent zu verknüpfen, erreichen wir mehr Effizienz und Klimaschutz ohne zusätzlichen Netzausbau“, sagt Kim Jost. „Das ist die Zukunft der Energiewende.“